Mathematische und astronomische Diagramme aus Maupertuis‘ Werk „La Figure de la Terre“ (1738).

Wissenschaftliche Methoden – Gradmessung beruhte auf Astronomie und Triangulation

Die Expedition begann die Arbeit, indem sie ein Triangulationsnetz zwischen Tornio und Pello errichtete.

Es war bekannt, dass die Entfernung zwischen den Ortschaften ungefähr einem Breitenrad entspricht und dass sich diese in Nord-Süd-Richtung ungefähr auf derselben Linie bzw. demselben Meridianbogen befinden.

Nach der Fertigstellung des Triangulationsnetzes nahm die Expedition die astronomischen Messungen an den Endpunkten der Kette vor, um den genauen Breitengradunterschied zwischen den Punkten zu ermitteln.

Triangulation war eine etablierte Methode der Landvermessung

Die Triangulation wurde im 16. Jahrhundert in den Niederlanden entwickelt. Um das 18. Jahrhundert war sie als Arbeitsmethode in der Vermessung und bei Kartografen bereits fest etabliert

Die Entwickler der Triangulationsmethode waren die Astronomen Gemma Frisius, Willebrord Snellius und Tycho Brahe.

Das Prinzip der Triangulation ist einfach. Sobald die Länge einer Seite eines Dreiecks bei einer Triangulationskette – die sogennante Grundlinie – bekannt ist, lassen sich die übrigen Dreiecksseiten durch Messung der Winkel zwischen den Seiten trigonometrisch berechnen.

Zur Winkelmessung wurde ein Quadrant verwendet. Mit Hilfe des Quadranten ließ sich auch der Höhenunterschied zwischen den Vermessungspunkten berücksichtigen.

Wenn eine der Seiten des Dreiecks – a, b oder c – bekannt ist, können die anderen Seiten trigonometrisch anhand der Winkel A, B und C berechnet werden.

Der ursprüngliche Plan der Expedition war es, eine Triangulationskette auf den Küsteninseln am Bottnischen Meerbusens aufzubauen. Die Inseln erwiesen sich jedoch gleich zu Beginn der Expedition als zu flach.

Anders Celsius schlug vor, auf den Winter zu warten und einen circa 110 Kilometer langen Breitengrad direkt auf dem Eis des Bottnischen Meerbusens ganz ohne ein Triangulationsnetz zu vermessen. Die Kenntnisse der Einheimischen über die Eisverhältnisse auf dem Meer brachten die Expedition dazu, diesen Vorschlag zu verwerfen.

Man überlegte ausserdem, ob eine einheitliche Sichtverbindung im Wald entlang der Küste realisierbar wäre, was sich jedoch als unmöglich erwies.

Maupertuis hatte die Umgebung des Torne-Flusses erkundet und festgestellt, dass sich die in Flussnähe befindlichen Berge als Vermessungspunkte für das Triangulationsnetz eigneten.

Der Schulmeister und Kaplan Johan Wegelius aus Tornio wusste der Expedition zu erzählen, dass Tornio und Pello ziemlich genau auf demselben Meridianbogen bzw. Längengrad liegen. Diese Erkenntnis beeinflusste die Wahl des Messgebietes.

Außerdem war der Torne-Fluss ein praktischer Verkehrsweg von einem Vermessungspunkt zum anderen. Der Fluss bot zudem einen ebenen Untergrund zur Messung der Grundlinie.

Im Hintergrund des Bildes sind die kegelförmigen Sichtmarken zu sehen, die auf den Gipfeln von Pullingi und Kittisvaara errichtet wurden. Auszug aus Outhiers Zeichnung von Niemivaara.

Eckmessungen von einer Zielmarke zur anderen

Die Zielmarken des Triangulationsnetzes wurden aus großen geschälten Baumstämmen kegelförmig gebaut.

Die hellen Kegel waren aus Dutzenden von Kilometern Entfernung gut sichtbar. Die Sichtverbindung von einem Vermessungspunkt zum anderen wurde gewährleistet, indem auf den Berggipfeln viel Baumbestand gefällt wurde.

Die genauen Standorte der Zielmarken wurden durch Eingravierungen im Felsen oder durch in den Boden eingeschlagene Pfähle gekennzeichnet. Zudem wurde die Entfernung zwischen der Mitte der Zielmarke zu nahgelegenen Bäumen und Felsen gemessen. All dies wurde sorgfältig im Beobachtungstagebuch notiert.

Auch die eigentlichen Winkelmessungen erfolgten mit großer Sorgfalt. Der Beobachter richtete das Instrument bzw. den Quadranten auf die Zielmarke auf dem benachbarten Berg und meldete die Richtungsangabe an den Schriftführer. Die Werte wurden im Beobachtungsbuch eingetragen. Die Messungen wurden mehrere Male wiederholt, um Fehler zu minimieren.

Die Akademiker konnten sich der Hilfe ihrer Diener und von etwa zwanzig örtlichen Soldaten aus der Kompanie Tornio des Regiments Västerbotten bedienen.

Diese Hilfe war unersetzbar etwa bei der Aufstellung der Zielmarken und der Freilegung der Sichtverbindungen von einem Berg zum anderen. Außerdem kannten die Soldaten das Gebiet und konnten sich in den Wäldern gut, orientieren.

Die Zielmarke wurde in Form eines Kegels gebaut, um aus der Ferne gut sichtbar zu sein.
Das Winkelmessgerät, der Quadrant, konnte innerhalb der Sichtmarke platziert werden. Extrait du dessin d’Outhier de Niemivaara. Auszug aus Outhiers Zeichnung von Niemivaara.

Vermessung der Grundlinie war ein wesentlicher Teil der Triangulation

Die Triangulation beruht darauf, dass eine Linie des Vermessungsnetzes physisch im Gelände ermittelt wird. Sobald die Länge einer Seite eines Dreiecks bekannt ist, lassen sich die übrigen Seiten durch Messung der Winkel zwischen den Seiten trigonometrisch berechnen.
Im Gelände wird die ermittelte Seite des Dreiecks als Grundlinie genannt.

Alexis Clairaut und Charles Camus planten den Standort der Grundlinie im August. Die Vermessungen auf dem Eis des Torne-Flusses wurden im Dezember in einer guten Woche durchgeführt. Der Frost war streng und es lag tiefer Schnee auf dem Eis des Flusses.

Der nördliche Endpunkt der Grundlinie befand sich etwas nördlich von der Mündung des Flusses Tengeliönjoki am Ostufer des Torne-Flusses. Der südliche Endpunkt lag circa 14 km südlich an der Mündung des Flusses Armasjoki im Dorf Niemis, an der Westseite des Torne-Flusses.

Die Grundlinie war eine 14 Kilometer lange Linie am Torne-Fluss. Auszug aus der Karte von Outhier.

Erik Brunnius der Jüngere (1706–1783), der die Arbeit des Pfarrers von Ylitornio ausübte, ließ acht kerzengerade Stangen aus Fichtenholz und diesbezügliche Stützpfosten fertigen. Die Franzosen vollendeten diese selbst, um genau die richtigen Maße zu erhalten.

Die Länge einer Holzstange betrug fünf Toisen. Die Toise war ein damals gebräuchliches französisches Längenmaß, das etwa 1,949 Metern entspricht.

Die Stangen wiesen also eine Länge von 10 Metern auf. Sie wurden anhand einer aus Frankreich mitgebrachten Toise aus Eisen geeicht.

Das Maß wurde in einem Zimmer aufbewahrt, dessen Temperatur auf die Frühlingstemperatur in Paris konditioniert wurde. Damit versuchte man die Wirkung der kalten Temperatur auf die Länge des Maßes zu eliminieren – das Eisenmaß verkürzte sich bei Frost.

Die französische Expedition misst in J. Ansseus Zeichnung die Basislinie auf dem Eis des Flusses Torne. Das Bild stammt aus Louis Figuers Vies des savants illustres von 1882.

Zur Vermessung einer Grundlinie mit einer Länge von etwa 14,4 km mit Hilfe von 9,745 Meter langen Stangen mussten diese Stangen 1 478 Mal entlag einer geraden Linie hintereinander gelegt werden.

Die Grundlinie musste möglichst genau vermessen werden. Ein kleiner Fehler würde sich bei den Berechnungen eines Triangulationsnetzes zu einem erheblichen Fehler aufsummieren. Aus diesem Grund wurde die Grundlinie von zwei Gruppen vermessen. Ihre Messergebnisse wichen circa vier Zoll voneinander ab, d.h. weniger als 11 Zentimeter.

Anhand der Gradmessung wird die Form der Erde ermittelt

Der Breitengrad (Latitude) gibt die Position auf dem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Meridian an. Der Äquator bildet den Breitengrad 0, an den Süd- und Nordpolen beträgt dieser 90. Der Grad der Position X ist also der Winkel zwischen den vom Mittelpunkt der Erde zum Äquator und zur Position X kommenden Strahlen.

Der Breitengrad wurde anhand der Sterne ermittelt.

In Pello und Tornio wurde die Höhe desselben Sterns im Verhältnis zum höchsten Punkt des Himmels, dem Zenit, gemessen. Der gewählte Stern stand so nahe wie möglich am Zenit, dem Kulminationspunkt des Sternenhimmels. Die Messung anhand eines Sterns, der sich näher am Horizont befindet, wäre aufgrund der Lichtbrechung in der Atmosphäre ungenauer gewesen.

Die Expedition wählte den δ- bzw. Deltastern des Sternbilds Drache aus. Durch den Vergleich der Messergebnisse an verschiedenen Standorten ließ sich der Gradunterschied zwischen den Objekten ermitteln.

Sollte die Erde komplett rund sein, so würde ein 1 Grad langer Meridianbogen an jeder Stelle des Meridians dieselbe Länge aufweisen.

Der Expedition Maupertuis’ war die in Nordfrankreich gemessene Länge eines 1 Grad Meridianbogens bekannt, sie betrug 57 060 Toise. Dies war anhand verschiedener Messungen von den Astronomen und Landvermessern Jean Picard (1620–1682) und Jacgues Cassini (1677–1756) ermittelt worden.

Sollte die Länge eines am Polarkreis gemessenen Grades länger oder kürzer sein, würde dies beweisen, dass die Erde nicht gleichmäßig rund ist, sondern an den Polen entweder verjüngt oder abgeplattet ist.

Sollte die Erde an ihren Polen verjüngt sein, so wäre die Gradlänge in Polnähe kürzer. Sollte die Erde wiederum abgeplattet sein – wie wir jetzt wissen – würde ein 1-Grad-Bogen zu den Polen hin länger werden.


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