Hintergrund und Reisevorbereitungen – „eine Zitrone oder eine Mandarine?“
Dass die Erde die Form einer Kugel hat, ist zumindest seit Pythagoras ab dem 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung bekannt. Obwohl sich diese Erkenntnis erst später verbreitete, wurde die Erde unter den Gelehrten bereits seit langem als Kugel betrachtet. Im 17. Jahrhundert wurden mit der Gravitation zusammenhängende Beobachtungen gemacht, welche die Diskussion über die exakte Form der Erde auslösten. Anfang der 1730er Jahre entfachte die Polemik in Frankreich über die Form der Erde neu, als eine detaillierte Kartierung im Land eingeleitet wurde.
Nach Ansicht von Cassinis glich die Erde einer Zitrone
Die leitende Position in der Landesvermessung in Frankreich hatte die Familie Cassini. Der Leiter des Pariser Observatoriums, der in Italien geborene Jean-Dominique Cassini (1625–1712) und sein Sohn, der Astronom Jacques Cassini (1677–1756), kamen aufgrund ihrer Feldarbeiten im Laufe von 30 Jahren zu dem Schluss, dass die Erde an den Polen wie eine Zitrone ausgebeult ist.
Newton machte aus der Erde einer Mandarine
Seit den 1660er Jahren ist es bekannt, dass die Gravitation von Breitengrad zu Breitenrad variiert.
Damals stellte der französische Astronom Jean Richer (1630–1696) fest, dass seine Pendeluhr in Cayenne im Französisch-Guyana nachging. Richer musste das Pendel der Uhr kürzen, damit sie die richtige Zeit anzeigte. Der Standort in verschiedenen Breitengraden beeinflusste die Bewegung des Pendels.
So erkannte Richer als Erster die Wirkung der Gravitation auf der Erde: am Äquator war die Gravitation schwächer als in Frankreich.
Später stellte der englische Physiker, Mathematiker und Astronom Sir Isaac Newton (1642–1727) seine bahnbrechende Gravitationstheorie vor. Die Erkenntnis Richers beweist demnach, dass der Mittelpunkt der Erde am Äquator in Cayenne weiter von der Erdoberfläche entfernt liegt als im viel weiter nördlich gelegenen Paris.
Die Erde muss also am Äquator ausgebeult und an den Polen abgeflacht sein wie eine Mandarine.
Die theoretischen Berechnungen Newtons standen mit den empirischen Ergebnissen Cassinis im Widerspruch.
Im Allgemeinen war man in Frankreich dem Newtonschen Denken gegenüber misstrauisch. Die Newtonschen Theorie beschrieb eine Anziehungskraft, die sich mit den Sinnen schwer erfassen ließ. Am Anfang des 18. Jahrhunderts herrschte in den wissenschaftlichen Kreisen Frankreichs eine auf dem Denken des Mathematikers und Philosophen René Descartes (1596–1650) beruhende mechanistische Naturphilosophie.
Maupertuis veröffentlichte 1732 das Werk „Discours sur les différentes figures des astres avec une exposition des systèmes de MM. Descartes et Newton“, in dem er die kartesianische und die Newtonsche Physik verglich: die Wirbeltheorie und die universale Gravitation bzw. Schwerkraft.
Neben Maupertuis gehörten der sogenannten Newtonschen Denkschule auch der Philosoph und Schriftsteller Voltaire (1694–1778) sowie der Naturwissenschaftler Émilie du Châtelet (1706–1749) an; beide galten in Frankreich als Vorreiter dieser Denkschule. Châtelet übersetzte später Newtons „Principia“ in die französische Sprache.
Mit der Kartierung Frankreichs begann die Diskussion über die Vermessungsmethoden
Anfang der 1730er Jahre leitete der französische Finanzminister Philibert Orry (1689–1747) erneut eine genaue Kartierung der Nation ein, die bereits in den 1680er Jahren begonnen, aber niemals zu Ende gebracht worden war. Durch dieses Projekt rückte die Geodäsie auch in der Akademie in den Mittelpunkt der Debatten.
Zuerst wurde hauptsächlich über verschiedene Vermessungs- und Berechnungstechniken debattiert und erst später kam die Frage der Newtonschen Gravitation und ihrer Auswirkung auf die Form der Erde hinzu.
Die oben genannten Cassinis begannen die Arbeit mit der Vermessung der Ost-West-Grundlinie im Jahr 1733.
Zur gleichen Zeit richtete sich in Frankreich die Aufmerksamkeit auf die Kritik an den Methoden Cassinis, die vom italienischen Mathematiker Giovanni Poleni (1683–1761) schon zehn Jahre zuvor vorgebracht worden war. Nach seiner Auffassung lagen die Ergebnisse von Cassinis innerhalb der Fehlermarge und waren daher nicht zuverlässig.
Experimentelle Forschung als Lösung für den Streit
Viele Akademiker brachten ihre Ansichten über die Vermessungsmethoden vor. Die Theorie Cassinis über die zitronenförmige Erde bekam Konkurrenz.
Im Bereich der Geodäsie wurden zahlreiche theoretische Studien durchgeführt und empirische Erkenntnisse gewonnen.
Gegen Ende des Jahres 1733 schlug Godin vor, dass die Akademie eine Expedition zum Äquator schicken sollte, um Gradmessungen durchzuführen. Im folgenden Jahr ordnete König Ludvig XV. (1710–1774) die Entsendung einer solchen Expedition an.
Die Expedition nach Südamerika setzte ihre Segel im Mai 1735. Unmittelbar nach der Abreise der ersten Expedition schlug Maupertuis vor, dass Frankreich auch eine zweite Expedition durchführen sollte. Seiner Auffassung nach würde eine Expedition die Angelegenheit nicht zuverlässig genug lösen können.
Ende 1735 erließ der König den Beschluss, eine geodätische Expedition zum Polarkreis zu entsenden.
Gegenüber dem Staat hatte die Akademie der Wissenschaften die Bedeutung der Expedition damit hervorgehoben, dass sie der Genauigkeit bei der Navigation der Schifffahrt und damit auch dem Handel zugutekommt. Die Erforschung der Form der Erde zielte somit, zumindest vordergründig, auf einen wirtschaftlichen Nutzen ab.
Ein Grund, der ebenso bedeutend war – wenn nicht bedeutender – war der, die Vormachtsstellung Frankreichs aufzuzeigen und zu festigen. Die wissenschaftlichen Ambitionen hoben die französische Macht auch im Bereich der Wissenschaft hervor.
Theoretiker bereiten sich auf Feldarbeiten vor
Die Forschungsreise wurde sowohl für Maupertuis als auch Alexis Clairaut (1713–1765) die erste, bei welcher sie ihr theoretisches Können in der Praxis erproben konnten. Maupertuis verfügte über keinerlei Erfahrung in praktischer Vermessungsarbeit, was für ihn jedoch kein Hindernis war, sich selbst als Leiter der Expedition vorzuschlagen.
Zunächst wurde eine Forschungsreise nach Island oder Norwegen in Erwägung gezogen. Unter dem Einfluss des schwedischen Astronomen Anders Celsius (1701–1744) wurde jedoch beschlossen, die Vermessungen im damaligen Schweden, in der Bottenwiek, durchzuführen.
Für die Reise waren gründliche Vorbereitungen erforderlich: es mussten Messinstrumente beschafft, die Schiffe ausgerüstet und Kontakt mit den relevanten Behörden wegen Verfügbarkeit von Unterstützung vor Ort aufgenommen werden.
Die Expedition fuhr am 20. April 1736 von Paris los.
An der Nordküste Frankreichs, am Hafen von Dunkerque, betrat eine offensichtlich enthusiastische Gruppe junger Männer das Schiff.
Neben dem 37-jährigen Maupertuis, dem 23-jährigen Clairaut und 35-jährigen Celsius brachen auch die Astronomen Charles Étienne Louis Camus (36), Pierre-Charles Le Monnier (21) und der älteste Teilnehmer der Expedition, der Geistliche Réginald Outhier (42), in Richtung Norden auf.
Reise von Paris nach Tornio im Frühjahr und Frühsommer 1736
Quellen:
Filosofia.fi https://filosofia.fi/fi/ensyklopedia/newton-isaac ja https://filosofia.fi/fi/ensyklopedia/varhaismoderni-luonnonfilosofia
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Pekonen, Osmo. “Johdanto: Maan muotoa mittaamassa”. Maan muoto ynnä muita kirjoituksia Lapista. Ed. Osmo Pekonen. Väyläkirjat, 2019.
Pekonen, Osmo. La rencontre des religions autour du voyage de l’abbé Réginald Outhier en Suède en 1736–1737. Lapin yliopistokustannus, Rovaniemi, 2010.
Terrall, Mary. Maupertuis. Maapallon muodon mittaaja. Trans. Osmo Pekonen. Väyläkirjat, Tornio, 2015 (orig. 2002).
Turunen, Tauno ja Kultima, Johannes. “Kreivi Pierre-Louis Moreau de Maupertuis, Lapin tieteellisten mittausten aloittaja”. Maan muoto. Ed. Poutanen, Markku. Ursan julkaisuja 86. Jyväskylä, 2003.
Geschichte
- Die Expedition auf der Karte
- Leben im Tornetal
- Maupertuis
- Mitglieder der Expedition
- Personendarstellungen